Ist Milch gesund?
Der Mensch ist das einzige Säugetier, dass auch nach der Stillzeit Milch konsumiert. Der Durchschnittsmensch des globalen Nordens konsumiert sogar sein ganzes Leben lang überwiegend die Milch anderer Säugetiere - vorwiegend Kuhmilch. Der historisch plausible Grund für dieses Verhalten ist Nahrungsmittelknappheit. Aus gesundheitlicher Sicht ist dieser Milchkonsum jedoch fragwürdig, da Kuhmilch nämlich aufgrund ihrer körperfremden Zusammensetzung eine Reihe von Problemen verursachen kann.
Was ist Laktose und woher kommt eine Laktoseintoleranz?
Kuhmilch enthält wie jede andere Milch auch Laktose. Dabei handelt es sich um ein Kohlenhydrat, dass durch das Enzym Lactase abgebaut wird. Bei Menschen geht dieses Enzym normalerweise nach dem Abstillen verloren. Nur in einigen Bevölkerungsgruppen bleibt eine ausreichende Laktaseproduktion bestehen: vor allem Menschen, deren Vorfahren aus Ländern in Nordeuropa wie Irland stammen oder die von Viehzüchterstämmen aus Afrika oder dem Nahen Osten stammen, können auch im Erwachsenenalter ausreichend Laktase bilden. Der Anteil der Weltbevölkerung der dies nicht kann liegt bei 65%. (1)
Die Laktosetoleranz stellt eine durch positive Selektion entstandene Anpassung an neuartige Nährstoffe dar und lässt sich vielleicht damit erklären, dass die Laktase als Energielieferant für das wichtigste Transportmolekül für Glucose, Natrium und Wasser im Magen-Darm-Trakt genutzt werden kann. Das Protein spielt eine wichtige Rolle beim Schutz vor Dehydrierung bei Infektionen. (2)
Laktose, die nicht mehr abgebaut wird entwickelt sich zu einer Reizsubstanz für die Verdauung. (3)
Casein - das Milcheiweiß
Casein ist ein Protein der Milch. Kuhmilch enthält 3-mal mehr Casein als Muttermilch, während das Verhältnis von Casein zu Serumproteinen bei Kühen bei 80:20 liegt. Beim Menschen liegt dieses Verhältnis bei 20:80. Casein ist eine dichte und zähflüssige Substanz, die zur Herstellung einer der stärksten Leimarten verwendet wird: Caseinleim. Daran liegt es auch, dass Kuhmilch ein ausgeprägt schleimbildendes Nahrungsmittel ist. Die Substanz kann die Atmungsorgane reizen und verstopfen. Inzwischen ist bekannt, dass Milchprodukte an fast allen Atemwegsproblemen beteiligt sind. (4)
Die Aminosäure Leucin
Die richtige Verteilung der Aminosäuren ist essentiell für die Verwertbarkeit von Eiweißen. Der Gehalt der essenziellen Aminosäure Leucin in der Muttermilch hängt von der Wachstumsrate des jeweiligen Säugetieres ab. Der Leucingehalt ist zwar bei allen Säugetieren gleich - ca. 100mg pro Gramm Eiweiß - doch enthält die menschliche Milch deutlich weniger Eiweiß als die Milch anderer Säugetiere. Also ist auch deren Leucingehalt wesentlich geringer. (5) Weil neugeborene Menschen die niedrigste Leucinmenge aller Säugetiere zu sich nehmen verdoppeln sie ihr Geburtsgewicht in ca. 180 Tagen. Ein Kalb braucht dazu nur 40 Tage.
Durch einen regelmäßigen Milchkonsum stimulieren wir das Wachstum von Organen und Geweben und aktivieren alle Systeme im Körper. Dies führt zu einer beschleunigten Alterung. (6)
Beugt Milch Osteoporose vor?
Vielen ist nicht bewusst, dass Gemüse eine hervorragende Kalziumquelle sind. Entgegen der lang vorherrschenden Lehrmeinung senkt ein erhöhter Milchkonsum nicht die Osteoporosegefahr. (7)
Gute Kalziumlieferanten sind zum Beispiel:
Grünkohl (100g) enthält 179mg Kalzium
Spinat (100g) enthält 140mg Kalzium
Rucola (100g) enthält 170mg Kalzium
Haselnüsse (100g) enthalten 149mg Kalzium
Paranüsse (100g) enthält 161mg Kalzium
Viel Kalzium ist außerdem in Soja, Brokkoli, Fenchel, Bohnen, Sesamöl und Kichererbsen enthalten.
Das Kalzium aus diesen Produkten kann der Erwachsenenkörper oft sogar viel besser verwerten. Und der Babykörper? Nun ja, der bekommt im Idealfall die Milch seiner eigenen Mutter oder einer anderen Menschin.
Macht Milch krank?
Immer häufiger hört man, dass Kuhmilch das Risiko bestimmter chronischer Erkrankungen erhöht. Im Fokus stehen besonders Typ 1 Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen. Außerdem scheinen Milchprodukte in Kombination mit Gluten bestimmte neurologische Zustände wie Autismus, Schizophrenie oder Multiple Sklerose zu fördern. Die Mechanismen sind noch nicht ganz klar. Die aktuelle Forschung konzentriert sich hier auf das β-Casein Peptid β-CM-7. (8)
Auch im Zusammenhang mit erhöhter Darmpermeabilität und den verknüpften Erkrankungen ist Milch immer wieder Thema. Mehr zum Thema Darmgesundheit steht im Blogbeitrag zu Leaky Gut
Ist es moralisch vertretbar, Milch zu trinken?
Wir Menschen behandeln Zuchttiere schon seit mehr als einem Jahrhundert grausam. Die Tiere werden in engen Stellen gehalten, nichts ins Freie gelassen, mit Kraftfutter gestopft und Kalb und Muttertier werden direkt nach der Geburt getrennt. All das ist nicht vertretbar und führt bei den Tieren zu immensem Stress. (9) Ob der Konsum von Milchprodukten unter diesen Aspekten ethisch ist, muss Jede*r selbst entscheiden.
Milch - ja oder nein?
Milch hat in den letzten 10.000 Jahren viele Menschen vor dem Hungertod bewahrt. Trotzdem kann die Milch andere Säugetiere nicht als artgerechte Ernährung verstanden werden. Die Daten zu den negativen Auswirkungen häufen sich stetig. Aus gesundheitlicher Sicht wäre es daher ratsam Milch und Milchprodukte als Genussmittel zu betrachten und eingeschränkt zu konsumieren.
QUELLEN
1 Ingram, C. J., Mulcare, C. A., Itan, Y., Thomas, M. G., & Swallow, D. M. (2009). Lactose digestion and the evolutionary genetics of lactase persistence. Human genetics, 124(6), 579–591. https://doi.org/10.1007/s00439-008-0593-6
2 Vuorisalo, T., Arjamaa, O., Vasemägi, A., Taavitsainen, J. P., Tourunen, A., & Saloniemi, I. (2012). High lactose tolerance in North Europeans: a result of migration, not in situ milk consumption. Perspectives in biology and medicine, 55(2), 163–174. https://doi.org/10.1353/pbm.2012.0016
3 Gotschall, E. Breaking the vicious cycle. Intestinal health through diet. Kirkton Press, 2004
4 Bartley, J., & McGlashan, S. R. (2010). Does milk increase mucus production?. Medical hypotheses, 74(4), 732–734. https://doi.org/10.1016/j.mehy.2009.10.044
5 Davis, T. A., Nguyen, H. V., Garcia-Bravo, R., Fiorotto, M. L., Jackson, E. M., Lewis, D. S., Lee, D. R., & Reeds, P. J. (1994). Amino acid composition of human milk is not unique. The Journal of nutrition, 124(7), 1126–1132. https://doi.org/10.1093/jn/124.7.1126
6 Sancak, Y., Peterson, T. R., Shaul, Y. D., Lindquist, R. A., Thoreen, C. C., Bar-Peled, L., & Sabatini, D. M. (2008). The Rag GTPases bind raptor and mediate amino acid signaling to mTORC1. Science (New York, N.Y.), 320(5882), 1496–1501. https://doi.org/10.1126/science.1157535
7 Malmir, H., Larijani, B., & Esmaillzadeh, A. (2020). Consumption of milk and dairy products and risk of osteoporosis and hip fracture: a systematic review and Meta-analysis. Critical reviews in food science and nutrition, 60(10), 1722–1737. https://doi.org/10.1080/10408398.2019.1590800
8 Monetini, L., Cavallo, M.G., Manfrini, S., Stefannini, L., Picarelli, A., DiTola, M., Petrone, A., Bianci, M., LaPresa, M., DiGiulio, C., Baroni, M.G., Thrope, R., Walker, B.K., IMDIAB group, and Pozzilli, P. 2002. Antibodies to bovine beta-casein in diabetes and other autoimmune diseases. Horm. Metabl. Res., 34:455–459.
9 S. Mechiel Korte, Jolanda Prins, Christiaan H. Vinkers, Berend Olivier, On the origin of allostasis and stress-induced pathology in farm animals: Celebrating Darwin’s legacy. The Veterinary Journal, Volume 182, Issue 3, 2009, Pages 378-383, ISSN 1090-0233, https://doi.org/10.1016/j.tvjl.2009.08.023.